regiments-tambour Corporal

Geschlecht:  Anmeldungsdatum: 04.12.2006 Beiträge: 350 Wohnort: Wien
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Verfasst am: 19.05.2010, 15:44 Titel: |
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Als Galizien zu Österreich kam
Teil 2. Woher wir kommen, wer wir sind.
Kurze Beschreibung Galiziens, welches nach den Bürgerkriegen, der ersten Teilung Polens, im Jahre 1772 Russland, Preussen...Österreich zugesprochen und in der Folge durch Deutschsprachige, also (West)-Europäische Siedler kolonialisiert wurde.
Man lockte mit Grundstücken und vielerlei Versprechungen. Kolonialisten mussten ausserdem 10 Jahre lang keine Steuern zahlen.
Die Bevölkerung vor der Kolonialisierung
Bei den ersten Volkszählungen zählte man in G. ca. 2,6 Millionen Menschen.Davon waren 1,8 Mill. russischstämmig.
200 Tausend gehörten der jüdischen Gemeinschaft, die meisten der gläubigen griechisch-katholischen Kirche an.
Das Soziale Umfeld, die Wohnverhältnisse
Die Bauern lebten in einfachen Stroh und Schilfhütten ( den so genannten Chaluppen), Lehmhütten waren sehr selten anzufinden.
Holzhäuser konnte man eher in Städten vorfinden. Die Ausnahme in den Dörfern bildeten die Kirchen, sie waren ausnahmslos aus Holz gefertigt. Die Siedler waren allerdings sehr weit verstreut. So manches Dorf war so klein, so erzählte man sich, dass, wenn ein Bauer mit seinem Karren kommt, der vordere Teil der Deichsel schon wieder draussen ist, der hintere aber gerade erst ins Dorf reinfährt.
Pro Haushalt lebten durchschnittlich 5 Menschen zusammen. Die offene Feuerstelle war in der Mitte des Hauses angebracht, der Rauchabzug erfolgte durch das oben offene Dach.
So kam es nicht selten zu Bränden. Auf Grund schlechter Organisation und mangelndem Gerät, raffte so manches Feuer ein ganzes Dorf dahin.
Für das spärliche Vieh gab es keine eigenen Ställe. Im Winter und bei schlechtem Wetter lebte man mit den Tieren unter einem Dach.
Die Straßen waren ungepflastert und stets kotig, auch im Sommer!
Die Wirtschaft, Gewinnung der Rohstoffe
Die Verkehrswege waren schlecht. Der Im- und Export war mühsam und mit weiten Wegen verbunden. Der Handel beschränkte sich auf das ehemalige Polen.
Es gab so gut wie keine Professionisten. Einfache Alltagsgüter waren auch in Städten purer Luxus, weil schwer zu finden. Reisende berichteten, dass sie in so manch größeren Städten keine einzige Kerze fanden.
Man lebte von der Hand in den Mund. Die einfachen Lehenbauern hatten gerade genug zu leben. Nicht nur, dass sie den Steuern genauso ausgesetzt waren wie Bürger, so auch der Willkür ihres Herren.
Ein Tag in der Woche galt der >Robot<, also für seine Obrigkeit arbeiten. Sie führten, man kann es so sagen, ein Sklavenleben. Rohe Gewalt war an der Tagesordnung.
Sie waren Leibeigene der Großbauern. Ja, es wurde mit den Untertanen auch ein lebhafter Handel getrieben. Man erzählte sich, dass ein junger Bursche seine zukünftige Braut für 7 Rubel von einem Herren freikaufen musste.
Der Großteil der Bauern baute Getreide an. Die Bewirtschaftung der Felder war sehr mühsam. Die Pflugscharen waren klein, von einem schwachen Gaul gezogen, die Eggen waren oftmals einfache Bretter mit Nägeln durchschlagen. Obstbäume und vielerlei Gemüse fanden erst später mit den deutschen Siedlern einen Keimboden. Aufgrund des Getreideüberschusses wurde sehr viel Schnaps und Branntwein gebrannt. Das meiste wurde exportiert, Fässer waren einfacher zu transportieren als viele Ballen Heu. Das meiste der Spiritousen wurde aber selbst konsumiert, nämlich pro Familie an die 50 Liter im Jahr.
Übrigens stellte man bei einer Zählung fest, dass von hundert Männern, an die siebzig im Ausschank tätig waren. Die Gastwirtschaften wurden von den Gutsherren verwaltet.
Man versuchte auch Händler aus dem Ausland anzusiedeln, mit mäßigem Erfolg. Das Geschäft war nicht das beste. Es war allerdings insgesamt eine Vorbildwirkung und Motivation, selbstständig zu sein.
Ein großer Bestandteil des späteren Exports waren Hanf und Flachs. Der Beruf des Leinenwebers wurde nun auch ausgeübt. Mit der aufkommenden Viehzucht wurde auch Leder, vornehmlich an die k.k. Militärs, geliefert.
Die Gewinnung von Erzen war wenig ertragreich, das Gestein war schlecht.
Man kannte zwar schon Erdölfelder, aber dieses Produkt diente vorerst der Wagenschmiere und zur Herstellung von Schuhwichse.
Salz wurde aus Quellen gewonnen, es blieb aber wenig ertragreich und sehr teuer.
Die Bienenzucht war sehr beliebt. Der polnische Honig wurde schon seit jeher geschätzt. Der daraus gewonnene Met war >das< Nationalgetränk.
Bier wurde zwar gebraut, es schmeckte aber nicht, bis auf wenige regionale Ausnahmen.
Politik
Das Wahlrecht bestand für jeden. Ausser für weibliche Geschlechter, sie hatten nichts zu sagen.
Jedoch sagt ein altes polnisches Sprichwort: >Die Frauen politisieren, während die Männer saufen<.
Das Militär
Wie wir bereits wissen, wurden viele kaiserliche Soldaten in Böhmen, Mähren, Ungarn, Polen, und eben Galizien, angeworben..
Man liest, dass eines Kolonialisten ältester Sohn nicht zum Militär musste, ein andermal, dass keiner seine Söhne einrücken musste...
Blieb dieses Gesetz aufrecht? Dies lässt sich vielleicht im Teil 3 klären....Galizien um 1800.
Quelle:
AutorIn: Braver, A ..... -J ..... Titel: Galizien wie es an Oesterreich kam.
Eine historisch-statistische Studie über die inneren Verhältnisse des Landes im Jahre 1772.
Ort: Leipzig. Verleger/Drucker G. Freytag
Jahr 1910.
Signatur: 468646-B. Neu Mag, Nationalbibliothek. |
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